Alphabau Engineering
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Mit dem Aufkommen der industriellen Bauweise gegen Ende des 19. Jahrhunderts wurden in Deutschland zunehmend Massivdecken als Alternative zu traditionellen Holzbalken- und Gewölbedecken entwickelt und eingesetzt. Besonders in der Zeit um 1892 entstanden verschiedene patentierte Deckenformen, wie etwa die Kleinesche Decke oder die Hennebique-Decke. Diese historischen Konstruktionen begegnen Planern und Handwerkern heute häufig im Rahmen von Altbausanierungen. Der Erhalt dieser Decken ist unter Beachtung statischer und bautechnischer Kriterien in vielen Fällen möglich.
Konstruktionsarten historischer Massivdecken
- Stahlsteindecken (z. B. Kleinesche Decke)
Hierbei werden Hohlziegel zwischen Doppel-T-Stahlträgern in Zementmörtel vermauert, ergänzt durch Bandstahl in den Fugen zur Aufnahme von Zugkräften. Spannweiten bis 4 m wurden geplant, in der Praxis jedoch meist auf 2 m begrenzt. Das System war tragfähig, jedoch stark von der fachgerechten Ausführung abhängig. - Hennebique-Decken (Plattenbalkendecken aus Stahlbeton)
Diese gelten als frühe Stahlbetonkonstruktionen mit systematischer Bewehrung. Die Decken und Stützen sind statisch verbunden. Das System wurde bereits nach statischen Prinzipien bemessen. Aufgrund der hohen Steifigkeit und Spannweiten bis zu 16 m bietet diese Deckenart auch heute noch große Tragreserven. - Unbewehrte Hohlsteindecken (z. B. Förster-Decke)
Die Querkraftabtragung erfolgt über gewölbeartige Formsteine, während die Längstragwirkung durch Stahlträger übernommen wird. Schäden am Mauerwerk können lokal saniert werden, allerdings ist der Zustand der Stahlträger entscheidend für die Standsicherheit.
Tragfähigkeitsbewertung und Nachweismethoden
Da zur Bauzeit keine einheitlichen Normen galten, ist die Qualität vorhandener Decken sehr unterschiedlich. Eine genaue Bewertung ist erforderlich, um Schäden oder Schwachstellen zu erkennen.
- Rechnerischer Nachweis:
Mithilfe historischer Materialkennwerte (z. B. Druck- und Zugfestigkeit, Elastizitätsmodul) kann der Standsicherheitsnachweis nach heutigen Normen (DIN 1045-1 bzw. DIN 1053-1) geführt werden. So lassen sich Tragreserven oder erforderliche Verstärkungsmaßnahmen bestimmen. - Versuchstechnischer Nachweis:
Bei fehlenden Unterlagen kann ein Belastungsversuch Klarheit über die Tragfähigkeit bringen. Dabei wird eine definierte Prüflast in die Decke eingeleitet, das Verformungsverhalten dokumentiert und die Tragfähigkeit daraus abgeleitet. - Zustimmung im Einzelfall (Z.i.E.):
Wenn weder rechnerische noch versuchstechnische Nachweise nach den Technischen Baubestimmungen möglich sind, muss eine Z.i.E. bei der obersten Bauaufsicht beantragt werden. Auch bei Verwendung ungeregelter Bauprodukte ist dies notwendig.
Genehmigungsverfahren bei Nutzungsänderung
Für Nutzungsänderungen oder Eingriffe in tragende Bauteile ist in der Regel eine Baugenehmigung erforderlich. Ausnahmen gelten für Bauvorhaben innerhalb von Bebauungsplänen mit vereinfachtem Verfahren. Bei historischen Gebäuden ist dies in der Praxis jedoch meist nicht anwendbar. Falls durch die Nutzungsänderung keine neuen öffentlich-rechtlichen Anforderungen entstehen, gilt das Bauvorhaben laut § 61 (2) SächsBO als verfahrensfrei.
Sanierungsmöglichkeiten
- Stahlsteindecken:
Bei intakter Bandstahlbewehrung ist eine lokale Sanierung möglich. Korrodierte Bandstähle können im freigelegten Zustand ersetzt und neu verankert werden, wobei auf den Zustand der Stahlträger besonders zu achten ist. - Hennebique-Decken:
Bei korrodierter Bewehrung ist zunächst eine Instandsetzung mit Betonersatzmörtel und Korrosionsschutz notwendig. Je nach zukünftiger Nutzung kann eine Verstärkung mit CFK-Lamellen sinnvoll sein. - Unbewehrte Hohlsteindecken:
Bei intaktem Druckbogen können beschädigte Ziegel ersetzt werden. Zur Verstärkung der Biegetragfähigkeit sind ergänzende Stahlprofile einsetzbar.
Fazit
Historische Massivdecken sollten nicht als Hindernis, sondern als erhaltenswerte Bestandteile der Bausubstanz betrachtet werden. Eine sachkundige Bewertung erlaubt oft eine Instandsetzung mit überschaubarem Aufwand. Der Erhalt dieser Konstruktionen trägt zur Baukultur und Nachhaltigkeit bei und vermeidet unnötige Abbrüche.